Ei­ne täg­li­che Fahr­rad­stre­cke von 4,5 Ki­lo­me­tern senkt das Herz­in­farkt­ri­si­ko um 50 Pro­zent

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Wie beschleunigen wir die Mobilitätswende?

So könn­te es mor­gen in den Städ­ten und Ge­mein­den ein­mal aus­se­hen, mit viel Platz für „Rad­we­ge, Grün­flä­chen, ver­kehrs­be­ru­hig­te Zo­nen, Gas­tro­no­mie, Spiel, Sport, klu­ge Mo­bi­li­täts­sta­tio­nen für al­le For­men der Mo­bi­li­tät“, um es mit Hel­mut De­dy vom Deut­schen Städ­te­tag zu sa­gen. Auch Kat­rin Ha­ben­scha­den, die Zwei­te Bür­ger­meis­te­rin von Mün­chen, fin­det es „nicht mehr zeit­ge­mäß, Städ­te mit pri­va­ten Au­tos voll­zu­stel­len, die die meis­te Zeit des Ta­ges nicht be­wegt wer­den“. Für ein zu­kunfts­fä­hi­ges Land braucht es nach­hal­ti­ge Mo­bi­li­täts­kon­zep­te. Wel­che da­von Schwung in die Ver­kehrs­wen­de brin­gen, steht 

Helmut Dedy 

Haupt­ge­schäfts­füh­rer Deut­scher Städtetag 

Stadt für alle

Wo heu­te noch Au­tos wert­vol­len öf­fent­li­chen Raum in den Städ­ten zu­par­ken, wer­den wir in Zu­kunft mehr Viel­falt ha­ben: Rad­we­ge, Grün­flä­chen, ver­kehrs­be­ru­hig­te Zo­nen, Gas­tro­no­mie, Spiel, Sport, klu­ge Mo­bi­li­täts­sta­tio­nen für al­le For­men der Mo­bi­li­tät. Ei­ni­ges da­von ist heu­te schon in den Städ­ten sicht­bar. Zum Bei­spiel ehe­ma­li­ge Kfz-Fahr­strei­fen, die nun ge­schütz­te Rad­we­ge sind. Rad­schnell­we­ge, die das Um­land mit dem Stadt­zen­trum ver­bin­den. Park­häu­ser, die auch E‑Ladestationen sind und Stell­plät­ze für Fahr- und Las­ten­rä­der bie­ten. Die au­to­ge­rech­te Stadt hat aus­ge­dient. Die Stadt ge­hört al­len. Staus, Ab­ga­se, Lärm – das müs­sen wir nicht nur für das Kli­ma, son­dern auch für mehr Le­bens­qua­li­tät über­win­den. Nur Ver­bren­ner- durch E‑Autos zu er­set­zen, ist kei­ne Ver­kehrs­wen­de. Da­mit mehr Men­schen das Au­to ste­hen las­sen, brau­chen wir gut aus­ge­bau­te Ver­bin­dun­gen mit Bus und Bahn, eng ge­tak­tet und di­gi­tal ge­steu­ert. Kurz­fris­ti­ge Ak­tio­nen wie das Neun-Eu­ro-Ti­cket schaf­fen mehr Auf­merk­sam­keit für den Nah­ver­kehr. Doch ich bin skep­tisch, ob es zu lang­fris­ti­gen Ef­fek­ten kommt. Mehr Qua­li­tät im Nah­ver­kehr geht eben nur mit mehr Ver­läss­lich­keit bei der Fi­nan­zie­rung. Bund und Län­der sit­zen an den ent­schei­den­den He­beln. Wir brau­chen fes­te Zu­sa­gen. Vor al­lem die dau­er­haf­ten Mit­tel für den ÖPNV müs­sen den tat­säch­li­chen In­ves­ti­ti­ons­be­dar­fen und Be­triebs­kos­ten an­ge­passt wer­den. Dann kön­nen die Städ­te mehr in­ves­tie­ren und die Mo­bi­li­täts­wen­de beschleunigen. 

Vernetzt unterwegs

Es klingt nach der Qua­dra­tur des Krei­ses: Wäh­rend die pri­va­ten und ge­werb­li­chen Mo­bi­li­täts­be­dürf­nis­se stei­gen, ha­ben Städ­te wie Mün­chen das Ziel aus­ge­ge­ben, Ver­kehrs­be­las­tun­gen für die Bürger:innen zu re­du­zie­ren. Aus Grün­den des Kli­ma­schut­zes, aber auch vor dem Hin­ter­grund ei­ner sich ver­än­dern­den Äs­the­tik in­ner­halb der Be­völ­ke­rung be­züg­lich der Ge­stal­tung ih­res Le­bens­um­felds. Es ist nicht mehr zeit­ge­mäß, Städ­te mit pri­va­ten Au­tos voll­zu­stel­len, die die meis­te Zeit des Ta­ges nicht be­wegt wer­den. Da­für ist un­ser be­grenz­ter ur­ba­ner Raum zu kost­bar. Ei­ne neue Kul­tur des Tei­lens statt des Be­sit­zens kann In­di­vi­dua­li­tät er­mög­li­chen und un­se­re Städ­te ent­las­ten. Car-Sha­ring, Poo­ling, di­gi­ta­le Ver­net­zung der Ver­kehrs­mit­tel, dar­in lie­gen für Bal­lungs­räu­me im­mense Po­ten­zia­le. Das Smart­phone ist der Dreh- und An­gel­punkt der mul­ti­mo­da­len Ver­kehrs­welt der Zu­kunft. Es wird der Ge­ne­ral­schlüs­sel sein für ei­nen rie­si­gen Fuhr­park um­welt­freund­li­cher Ver­kehrs­mit­tel, auf den all­zeit zu­ge­grif­fen wer­den kann. Da­durch wird Ver­kehr ef­fi­zi­en­ter und in­di­vi­du­el­ler ge­stal­tet. Hin­zu kommt das au­to­no­me Fah­ren, das mei­ner fes­ten Über­zeu­gung nach un­se­re Mo­bi­li­tät re­vo­lu­tio­nie­ren wird, in De­bat­ten aber oft nur ei­ne Ne­ben­rol­le spielt. Wir müs­sen auf­hö­ren, uns im ver­kehrs­po­li­ti­schen Ge­gen­warts­dis­kurs zu ver­fran­zen und statt­des­sen die am Ho­ri­zont be­reits deut­lich sicht­ba­ren Chan­cen der di­gi­ta­len Mo­bi­li­tät der Zu­kunft er­grei­fen. Et­was mehr Mut kann uns nicht schaden. 

Katrin Habenschaden 

Zwei­te Bür­ger­meis­te­rin Stadt München 

Hildegard Müller 

Prä­si­den­tin Ver­band der Au­to­mo­bil­in­dus­trie (VDA)

Aus Innovation wird Transformation 

Die deut­sche Au­to­mo­bil­in­dus­trie ver­steht die größ­te Trans­for­ma­ti­on ih­rer Ge­schich­te als Chan­ce. Wir trei­ben den Wan­del mit Re­kord­in­ves­ti­tio­nen für In­no­va­tio­nen vor­an, al­lein rund 220 Mil­li­ar­den Eu­ro bis 2026. Für das schnellst­mög­li­che Rea­li­sie­ren ei­ner kli­ma­neu­tra­len Mo­bi­li­tät sind ne­ben dem Ein­satz der Un­ter­neh­men die po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen ent­schei­dend. Ein wett­be­werbs­fä­hi­ger Stand­ort ist Grund­la­ge für ei­ne er­folg­rei­che Trans­for­ma­ti­on, ge­ra­de für den Mit­tel­stand. Oh­ne be­zahl­ba­re und ver­läss­lich zur Ver­fü­gung ste­hen­de En­er­gie, oh­ne Steu­ern und Ab­ga­ben, die in­ter­na­tio­nal wett­be­werbs­fä­hig sind, oh­ne Pla­nungs- und Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren, die Tem­po er­lau­ben, und oh­ne ei­ne Di­gi­ta­li­sie­rung, die die Um­set­zung von In­no­va­tio­nen mög­lich macht, kann die­se Auf­ga­be nicht ge­meis­tert wer­den. Es geht um die Zu­kunft un­se­res In­dus­trie­stand­orts. Ei­ne Zu­kunft, die auch durch en­ga­gier­te Handels‑, Roh­stoff- und En­er­gie­au­ßen­po­li­tik ab­ge­si­chert wer­den muss. Ei­nes dür­fen wir nicht ver­ges­sen: Kli­ma­pro­ble­me müs­sen glo­bal ge­löst, Kli­ma­schutz glo­bal ge­dacht wer­den. Wir dür­fen kei­ne Tech­no­lo­gie aus­schlie­ßen, die welt­weit ge­braucht wird, um die am­bi­tio­nier­ten Kli­ma­zie­le im Stra­ßen­ver­kehr zu er­rei­chen. Es braucht mehr Dia­log, mehr In­no­va­ti­on, we­ni­ger Fest­le­gung und mehr Frei­heit. Tech­no­lo­gie­of­fen­heit ist da­bei die Chan­ce, zu welt­wei­ten Pio­nie­ren zu wer­den: Das Po­ten­zi­al un­se­rer In­dus­trie ist ge­wal­tig. Wir müs­sen al­les da­für tun, dass es sich ent­fal­ten kann. 

Angebot vor Preis

Das Neun-Eu­ro-Ti­cket ist ein Ex­pe­ri­ment. Noch nie wur­de in ei­nem Land wie Deutsch­land der Preis der­art dras­tisch ge­senkt. Mil­lio­nen Deut­sche wer­den es nut­zen, nicht nur für den Weg zur Ar­beit oder zum Ein­kau­fen, son­dern auch für Fahr­ten quer durchs Land. Da­bei geht es nicht um die güns­ti­ge Ur­laubs-an­rei­se: Der Bund ver­folgt das Ziel, die Men­schen zu ent­las­ten. Es ist ei­ne ein­ma­li­ge Son­der­maß­nah­me, die 2,5 Mil­li­ar­den Eu­ro kos­tet. Viel Geld. Doch ist das schon die Mo­bi­li­täts­wen­de, die wir so drin­gend brau­chen, um die Kli­ma­schutz­zie­le im Ver­kehrs­sek­tor bis 2030 zu er­rei­chen? Mit­nich­ten. Denn die Men­schen stei­gen nur dann dau­er­haft ein bei Bus und Bahn, wenn sie ein gu­tes ÖPNV-An­ge­bot in der Nä­he ha­ben. Wäh­rend wir in den Städ­ten oft­mals zwar dich­te Tak­te ha­ben, die Ver­kehrs­mit­tel aber, zu­min­dest vor Co­ro­na, trotz­dem über­las­tet sind, fährt auf dem Land häu­fig nur der Schul­bus. Da hilft auch kein Neun-Eu­ro-Ti­cket. Der Schlüs­sel liegt dar­in, den klas­si­schen ÖPNV aus­zu­bau­en und um fle­xi­ble, klei­ne Ruf­bus­se – buch­bar per App – zu er­gän­zen. Doch Aus­bau und Be­trieb kos­ten viel Geld. Die Bun­des­re­gie­rung stellt ei­ne Auf­sto­ckung der Mit­tel in Aus­sicht, ak­tu­ell ist aber nicht si­cher, ob die­ses Ver­spre­chen auch ein­ge­hal­ten wird. Laut Ko­ali­ti­ons­ver­trag soll Deutsch­land auch schnel­ler wer­den beim Pla­nen und Bau­en, auch hier ist nur we­nig pas­siert. Aber nur so kön­nen wir mehr Men­schen mit Bus und Bahn be­för­dern und mehr Gü­ter auf die Schie­ne bringen. 

Ingo Wortmann 

Prä­si­dent Ver­band Deut­scher Ver­kehrs­un­ter­neh­men (VDV)

Hans-Peter Kleebinder 

Stu­di­en­lei­ter „Smart Mo­bi­li­ty Management“-Programm, Uni­ver­si­tät St. Gallen 

Smart unterwegs

Die Co­ro­na-Pan­de­mie war ein Trans­for­ma­ti­ons­be­schleu­ni­ger für die über­fäl­li­ge Mo­bi­li­täts­wen­de. Durch die vie­len Ein­schrän­kun­gen ist uns noch­mal be­wusst ge­wor­den, wie wich­tig Mo­bi­li­tät ist. Ak­tu­ell sind mehr Men­schen un­ter­wegs denn je, was zu mehr Ver­kehr führt. So wird et­wa die An­kunfts­zeit von Au­to­fahr­ten im­mer un­kal­ku­lier­ba­rer. Es braucht al­so drin­gend ei­nen in­tel­li­gen­te­ren Ein­satz von Blech und Asphalt. Ein ers­ter An­satz ist Sha­ring, al­so mehr Mit­fahr­ge­le­gen­heits­diens­te an­neh­men oder selbst an­bie­ten so­wie in­ner­halb von Städ­ten auf Sam­mel­ta­xis um­stei­gen. Ak­tu­ell sitzt bei 90 Pro­zent der Au­to­fahr­ten in Deutsch­land nur ei­ne Per­son im Au­to und das mit ei­ner Nut­zung von durch­schnitt­lich 45 Mi­nu­ten am Tag – ei­ne Aus­las­tung der theo­re­ti­schen Ka­pa­zi­tät von un­ter ei­nem Pro­zent. Ein zwei­ter An­satz liegt in der Um­ge­stal­tung un­se­rer Städ­te. Wir soll­ten den städ­ti­schen Raum neu und ge­rech­ter ver­tei­len, in­dem wir zu­min­dest die glei­chen Be­din­gun­gen für Vier­rä­der, Zwei­rä­der und Fuß­gän­ger schaf­fen. Oder in­dem wir Fahr­rad­schnell­stra­ßen bau­en, et­wa auf Stel­zen über Stra­ßen. Ein drit­ter An­satz ist die Mi­kro­mo­bi­li­tät. Klein- und Leicht­fahr­zeu­ge be­deu­ten we­ni­ger Platz zum Par­ken, we­ni­ger Res­sour­cen­ver­brauch bei der Her­stel­lung und beim Ge­brauch. Die­se drei An­sät­ze zei­gen, dass die Mo­bi­li­täts­wen­de kei­nen Ver­zicht dar­stellt, son­dern uns die Chan­ce gibt, die Kli­ma­zie­le ein­zu­hal­ten, wäh­rend Mo­bi­li­tät ein wich­ti­ger Be­stand­teil un­se­rer Le­bens­qua­li­tät bleibt. 

Standortvorteil E

Die Dis­kus­si­on um die Be­schleu­ni­gung der Mo­bi­li­täts­wen­de ist in­zwi­schen in den Re­gio­nen an­ge­kom­men. Im All­tag, in der Flä­che, in den Städ­ten und Ge­mein­den wird die Re­form um­ge­setzt. Da, wo auch die En­er­gie­wen­de ge­macht wird. Bei­des ist eng mit­ein­an­der ver­bun­den. E‑Fahrzeuge ma­chen nur Sinn mit er­neu­er­ba­rer En­er­gie und die­se be­nö­tigt ih­rer­seits ein in­tel­li­gen­tes Las­ten­ma­nage­ment und Spei­cher, was E‑Fahrzeuge und ‑Fuhr­parks leis­ten kön­nen. Im­mer kla­rer wird, dass die nach­hal­ti­gen Struk­tu­ren für En­er­gie­ver­sor­gung und Mo­bi­li­tät sich raus aus der glo­ba­len Ab­hän­gig­keit ent­wi­ckeln und den Weg zu de­zen­tra­len, wenn nicht so­gar aut­ar­ken Lö­sun­gen fin­den. Da­zu müs­sen die Ak­teu­re in den Städ­ten und Ge­mein­den wie auch den Kom­mu­nen er­ken­nen, dass sie ei­ne wich­ti­ge Schlüs­sel­rol­le für die Rea­li­sie­rung in­ne­ha­ben. Plan­ver­fah­ren, Bür­ger­ab­stim­mun­gen und bau­recht­li­che Fra­ge­stel­lun­gen wer­den von ih­nen be­treut und ko­or­di­niert. Noch scheu­en sich die Ver­ant­wort­li­chen und ih­re Ver­bän­de. Wer wich­ti­ge in­dus­tri­el­le und wirt­schaft­li­che An­sied­lun­gen ab­si­chern will, braucht weit­sich­ti­ge und in­tel­li­gen­te Pla­nungs­lö­sun­gen zum En­er­gie­haus­halt, was sämt­li­che Mo­bi­li­täts­be­dürf­nis­se von Lo­gis­tik bis Pen­del­ver­kehr, Ci­ty­ver­kehr und Sha­ring-Lö­sun­gen ein­schließt. Je schnel­ler man das er­kennt, des­to schnel­ler kön­nen die Ver­wal­tungs­ein­hei­ten im Wett­be­werb der Re­gio­nen ei­nen Stand­ort­vor­teil ge­win­nen und die Mo­bi­li­tät nach­hal­tig auf neue An­trie­be umstellen. 

Kurt Sigl 

Prä­si­dent Bun­des­ver­band eMo­bi­li­tät (BEM)

Matthias Altmann 

Leser 

Hebel in der Hand

Ers­tens braucht es ein Be­wusst­sein, dass es um die Ret­tung un­se­res Pla­ne­ten geht. Aber auch dar­um, dass wir das schaf­fen kön­nen und die Mo­bi­li­tät der idea­le He­bel da­für ist. Zwei­tens braucht es Krea­ti­vi­tät, Be­tei­li­gung und den Wil­len zur Ko­ope­ra­ti­on von Po­li­tik, Wirt­schaft und den Men­schen vor Ort. Und drit­tens ei­ne aus­kömm­li­che, in­tel­li­gen­te und so­li­da­ri­sche Fi­nan­zie­rung. Die prak­ti­sche Um­set­zungs­per­spek­ti­ve da­für bie­tet das Bür­ger­ti­cket. Nach dem Bei­spiel der GEZ zah­len al­le mo­nat­lich ei­nen fes­ten Be­trag, zum Bei­spiel 25 Eu­ro. In der Jah­res­sum­me blei­ben wir da­mit noch un­ter den 365 Eu­ro, von de­nen vie­le träu­men. Da­für kann bun­des­weit der gan­ze ÖPNV be­nutzt wer­den. Kein Ta­rif­dschun­gel mehr, kei­ne Au­to­ma­ten­nö­te, na­he­zu kein Bü­ro­kra­tie­auf­wand. Das Geld si­chert den Auf- und Aus­bau ei­nes mus­ter­gül­ti­gen An­ge­bots. Und: Die SUV-Frak­ti­on soll wei­ter ih­ren Spaß ha­ben, aber sie fi­nan­ziert die nach­hal­ti­ge Mo­bi­li­tät für al­le mit. Das Au­to wird für vie­le ver­zicht­bar. Flä­chen wer­den frei, Lärm und Ge­stank re­du­ziert, Zu­kunft ge­si­chert. Bleibt der Gü­ter­ver­kehr, oh­ne des­sen Ver­la­ge­rung die Mo­bi­li­täts­wen­de nicht ge­lin­gen kann. Hier ist die Po­li­tik ge­fragt. Mit dem Er­he­ben ver­ur­sa­cher­ge­rech­ter Prei­se hat sie aber auch hier den we­sent­li­chen He­bel in der Hand. Und nun heißt es: ge­mein­sam ak­tiv wer­den, Bünd­nis­se schmie­den, Lob­bys entmachten. 

Wille zum Wandel

Laut ei­ner ak­tu­el­len Stu­die von Ago­ra Ver­kehrs­wen­de sit­zen in ei­nem Pkw im Be­rufs­pen­del­ver­kehr nur noch 1,075 Men­schen. Die­se Zahl ist ein Be­weis, dass in der Ver­kehrs­po­li­tik bis­her nicht kli­ma­po­li­tisch vor­aus­schau­end, son­dern nur Au­to ge­fah­ren wur­de. Ich will nicht klein­re­den, dass der Ab­bau von Tau­sen­den Schie­nen­ki­lo­me­tern und Bus­an­ge­bo­ten so­wie die im­mer grö­ße­ren Di­stan­zen zwi­schen Woh­nen und Ar­bei­ten die Men­schen in das Au­to drän­gen. Ge­sun­de Räu­me von Stadt bis Land, in de­nen fuß­läu­fig oder mit dem Rad Din­ge des täg­li­chen Le­bens von Ein­kauf über Er­ho­lung bis Bil­dung er­reicht wer­den kön­nen, blei­ben so auf der Stre­cke. Doch das ist kein un­um­kehr­ba­rer Pro­zess. Die Lö­sung liegt im Be­kennt­nis, wirk­lich et­was ver­än­dern zu wol­len. Auch ge­gen Wi­der­stän­de je­ner, de­nen der un­ge­rech­te Sta­tus quo ge­fällt. Schau­en wir nach Ös­ter­reich: Dort gibt es mit dem Kli­ma­ti­cket ei­ne güns­ti­ge ÖPNV-Flat­rate, mit der al­le Ver­kehrs­mit­tel ge­nutzt wer­den kön­nen. Schau­en wir nach Lon­don: Dort will der Bür­ger­meis­ter 2030 ein Drit­tel we­ni­ger Au­tos in der Stadt ha­ben. Schau­en wir aber auch kon­kret auf pro­gres­si­ve Arbeitgeber:innen, die aus dem Bo­ni „Dienst­wa­gen für we­ni­ge Bes­ser­ver­die­nen­de“ das de­mo­kra­ti­sche Mit­tel der Mo­bi­li­täts­bud­gets für al­le ein­ge­führt ha­ben. So kön­nen sich auch Men­schen der ge­rin­ge­ren Ge­halts­stu­fen ein E‑Bike zum Pen­deln leis­ten, mehr Fahr­ten mit dem ÖPNV zu­rück­le­gen – und so ge­sün­der und aus­ge­gli­che­ner un­ter­wegs sein, als al­lei­ne im Stau zu stehen. 

Katja Diehl 

Mo­bi­li­täts­be­ra­te­rin und Autorin 

Karin Teichmann 

Vor­stän­din EUREF Campus 

Hand in Hand

Der Ver­kehr ist nach der En­er­gie­wirt­schaft und der In­dus­trie mit rund 20 Pro­zent CO2-Aus­stoß der dritt­größ­te Ver­ur­sa­cher von Treib­haus­gas­emis­sio­nen in Deutsch­land. Der weit­aus größ­te Teil der Ver­kehrs­emis­sio­nen ent­fällt auf den Stra­ßen­ver­kehr. Das heißt: En­er­gie­wen­de oh­ne Ver­kehrs­wen­de geht gar nicht – und um­ge­kehrt. Deutsch­land wird sei­ne Kli­ma­zie­le nur er­rei­chen mit ei­ner Ver­kehrs­wen­de, die kon­se­quent da­für sorgt, dass der En­er­gie­ver­brauch des Ver­kehrs­sek­tors sinkt. Nicht nur ei­ne An­triebs­wen­de, die le­dig­lich den Aus­tausch von An­triebs­sys­te­men zum Ziel hat, son­dern ei­ne Ver­kehrs­wen­de ge­stützt auf tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen, po­li­ti­sche Rah­men­set­zun­gen, ge­sell­schaft­li­che Ak­zep­tanz und In­no­va­ti­on. Al­so ei­ne Re­du­zie­rung, Ver­la­ge­rung und Ver­bes­se­rung des Ver­kehrs. Der noch ver­blei­ben­de End­ener­gie­be­darf des Ver­kehrs muss dann, dank ei­ner ver­läss­li­chen En­er­gie­wen­de, mit be­zahl­ba­ren kli­ma­neu­tra­len An­triebs­en­er­gien ge­deckt wer­den, die in mo­to­ri­sier­ten Fahr­zeu­gen ef­fi­zi­ent und für den Nut­zen­den be­zahl­bar ein­ge­setzt wer­den. Strom aus Wind und Son­ne wird nach heu­ti­gem Kennt­nis­stand zu­künf­tig zum wich­tigs­ten En­er­gie­trä­ger für den Ver­kehr. Zur Sen­kung un­se­res CO2-Aus­sto­ßes führt das al­ler­dings nur, wenn der re­ge­ne­ra­ti­ve Strom für den Ver­kehr zu­sätz­lich pro­du­ziert wird. Die En­er­gie­wen­de muss des­halb, ei­ne Bin­sen­weis­heit, be­schleu­nigt wer­den, mit der Ver­kehrs­wen­de Schritt hal­ten und mit ihr po­li­tisch und wirt­schaft­lich syn­chro­ni­siert werden. 

Stadt den Menschen

Mo­bi­li­täts­kon­zep­te gibt es ge­nug. Man kann ei­nen gan­zen Au­to­stau da­mit fül­len. Was fehlt, ist ei­ne ent­schlos­se­ne, zü­gi­ge, mu­ti­ge und gut fi­nan­zier­te Um­set­zung. In ei­ner Stadt wie Mün­chen gibt es viel Po­ten­zi­al da­für, dass Men­schen das Au­to ver­las­sen und um­stei­gen. Mehr si­che­re Rad­in­fra­struk­tur. Ei­ne An­ti-Stau-Ge­bühr (Ci­ty­maut) ver­bun­den mit Park-and-Ri­de-An­ge­bo­ten. Ei­ne Um­wand­lung der in­ner­städ­ti­schen Park­plät­ze in grü­ne Oa­sen, Rad­stell­plät­ze und Auf­ent­halts­flä­chen. Die­se Kon­zep­te brin­gen Be­we­gung in die St­au­stadt. Al­le pro­fi­tie­ren von we­ni­ger pri­va­tem Au­to­ver­kehr. Für bes­se­re Luft, we­ni­ger Lärm, mehr Le­bens­qua­li­tät und zu­kunfts­fä­hi­gen Klimaschutz. 

Hanno Langfelder 

Leser 

Bernd Kühn 

Leser 

Freude und Verständnis

In der Öl­kri­se 1973 re­agier­te die Po­li­tik mit vier au­to­frei­en Sonn­ta­gen. Rich­tig wä­re wohl ge­we­sen, die For­schung schon da­mals so zu un­ter­stüt­zen, dass ei­ne ech­te Mo­bi­li­täts­wen­de hät­te ein­ge­lei­tet wer­den kön­nen. Un­se­re freie Ge­sell­schaft hat sich selbst vie­le Re­geln und Ver­bo­te ge­ge­ben. Bei al­ler Fort­ent­wick­lung darf je­doch nicht die Freu­de an der Be­we­gung den Men­schen ge­nom­men wer­den. Ich fah­re ei­nen Old­ti­mer und er­freue da­mit auch vie­le an­de­re Ver­kehrs­teil­neh­mer. Aus Lei­den­schaft or­ga­ni­sie­re ich ei­ne Old­ti­mer­ver­an­stal­tung in Ber­lin. Die CO2-Be­las­tung des Events kom­pen­sie­re ich auf frei­wil­li­ger Ba­sis durch die Un­ter­stüt­zung ei­nes Baum­pflanz­pro­jekts. Das Ver­ständ­nis für die Res­sour­cen­scho­nung ist auch in der Old­ti­mer­sze­ne an­ge­kom­men. Ver­ständ­nis führt aus mei­ner Sicht schnel­ler zum Ziel und wirkt nach­hal­ti­ger als Ver­bo­te. Da­ne­ben kommt mir auch oft der En­er­gie­auf­wand, der zur Her­stel­lung der Fahr­zeu­ge auf­ge­wen­det wird, zu kurz. Mein Old­ti­mer ist 53 Jah­re alt und läuft im­mer noch bes­tens. Er hat al­so im Durch­schnitt jetzt die Pro­duk­ti­on von vier wei­te­ren Au­tos ein­ge­spart. Für bat­te­rie­be­trie­be­ne Fahr­zeu­ge scheint das Hal­ten der Wert­stof­fe im Sys­tem­kreis­lauf nicht ge­löst. Ei­ne Kom­plett­um­stel­lung auf E‑Mobilität ist auf­grund der Roh­stoff­knapp­heit gar nicht mög­lich, da­her muss jetzt in die For­schung für was­ser­stoff­be­trie­be­ne Fahr­zeu­ge in­ves­tiert wer­den. Sonst wie­der­holt die Po­li­tik den Feh­ler von 1973. 

Handeln gefordert

Un­ter­neh­men mit Fuhr­park sind wich­tig für ei­nen Mo­bi­li­täts­wan­del und die Au­to­in­dus­trie. Als wich­ti­ge Kun­den­grup­pe sind sie Trei­ber für Wei­ter­ent­wick­lung und In­no­va­ti­on. Sie in­ves­tie­ren kon­ti­nu­ier­lich in al­ter­na­ti­ve An­trie­be für ih­re Flot­ten, vor al­lem auch in Elek­tro­fahr­zeu­ge. Doch Pan­de­mie, Halb­lei­t­erkri­se und nicht zu­letzt der Ukrai­ne-Krieg ver­schär­fen Lie­fer­eng­päs­se, er­hö­hen War­te­zei­ten ex­trem und füh­ren zu ei­nem ech­ten Pro­blem: die Pla­nungs­un­si­cher­heit auf­grund der aus­lau­fen­den In­no­va­ti­ons­prä­mie. Nach jet­zi­gem Stand wird der er­höh­te Um­welt­bo­nus von bis zu 9.000 Eu­ro für E‑Fahrzeuge nur aus­ge­zahlt, wenn das Fahr­zeug – un­ab­hän­gig vom Be­stell­da­tum – bis zum En­de 2022 zu­ge­las­sen ist. Bei den be­stehen­den Lie­fer­schwie­rig­kei­ten ist das na­he­zu un­mög­lich. Für Fuhr­park­ver­ant­wort­li­che be­deu­tet das, dass un­ter Um­stän­den die kom­plet­te Kal­ku­la­ti­on über Bord ge­wor­fen wer­den muss und In­ves­ti­tio­nen in Elek­tro­mo­bi­li­tät aus­ge­bremst wer­den. Das Ri­si­ko vor Au­gen be­stellt der­zeit kein Un­ter­neh­men. Die­se Hand­brem­se kann nur die Po­li­tik lö­sen. Das Zu­sa­ge­ver­fah­ren zum Um­welt­bo­nus muss der La­ge an­ge­passt wer­den. Ei­ne För­der­zu­sa­ge soll­te nicht ab­hän­gig vom Zu­las­sungs­ter­min, son­dern von der ver­bind­li­chen Be­stel­lung sein. Die po­si­ti­ve Ent­wick­lung könn­te sonst ei­nen er­heb­li­chen Dämp­fer be­kom­men und die Chan­ce, dass Un­ter­neh­men die Elek­tro­mo­bi­li­tät wei­ter vor­an­trei­ben, könn­te ver­tan und ver­ge­ben wer­den. Ein Han­deln sei­tens der Bun­des­re­gie­rung ist nö­tig. Jetzt. 

Marc-Oliver Prinzing 

Vor­stands­vor­sit­zen­der Bun­des­ver­band Be­trieb­li­che Mobilität 

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