
Was stärkt die Familie?
Ist es die Zeit, die wir mit unseren Liebsten verbringen? Die Fähigkeit, die anderen mit all ihren Fehlern und Eigenheiten zu akzeptieren? Oder vielleicht gemeinsame Erlebnisse wie die klassische Familienfeier? Schreiben Sie uns, was in Ihrer Familie für Zusammenhalt sorgt.

Ein Auge auf das Wetter
Hauptsache warm! Das kann Spanien sein, Griechenland oder Italien, Inseln oder Festland. Aber da man an keinem Ort eine Garantie für schönes Wetter hat, buche ich meist recht kurzfristig und glücklicherweise lässt sich das auch ganz gut mit meinem Job vereinbaren. Wenn überall gerade schlechtes Wetter ist, arbeite ich lieber noch eine Woche länger und fahre dann erst später, wenn das Wetter es mitmacht.

Gewohnheiten ändern
Gerade sind einige meiner Freunde von ihren Südostasienreisen zurückgekehrt. Manche fliegen inzwischen jedes Jahr, um dem scheußlichen deutschen Winterwetter zu entkommen. Braungebrannt und entspannt sind sie wiedergekommen und haben von den traumhaften Stränden und dem günstigen, sehr guten Essen geschwärmt. Jetzt haben sie mich auch überzeugt. Auch wenn es mir schwer fällt, dieses Jahr keinen langen Sommerurlaub zu haben, so nehme ich es aber in Kauf für eine neue Erfahrung. Und denn Sommer, den kann man schließlich hier auch gut verbringen.

In Geschichten vereint
Als mein Sohn noch ein Kind war und sich eine Nintendo-Spielkonsole wünschte, stellte ich ihn vor die Wahl: entweder bekommt er die Konsole oder von da an jedes Buch, das er möchte. Noch heute bin ich froh, dass er sich für die Bücher entschieden hat. Seitdem begleitet ihn das Lesen. Wäre ihm aber nicht jeden Abend, bis er etwa acht Jahre alt war, eine Geschichte vorgelesen worden, hätte er sich womöglich anders entschieden. Vorlesen hat aber noch andere Vorzüge, als Kinder von Computerspielen abzuhalten: Es wirkt bindend und beruhigend. Wenn ich abends nicht vor der Kamera stand und unser Kindermädchen diese Aufgabe übernahm, habe ich mich zu meinem Sohn ins Bett gekuschelt und ihm eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Somit entstand ein Ritual, das nicht nur meinen Sohn, sondern uns als Familie gestärkt hat. Auch mir wurde als Kind der 1960er-Jahre jeden Abend vorgelesen. Zudem hatte ich einen Onkel, der mir immer ein Buch mitbrachte. Damals waren es „Hanni und Nanni“ oder „Winnetou“, die eine ganze Generation von Kindern begeisterten. Heute stelle ich leider fest, dass Lesen und Vorlesen durch Serien und Social Media immer mehr verloren geht. Als Lesebotschafterin möchte ich insbesondere Kinder aus sozial schwächeren Familien für Bücher begeistern. Wenn ich ihnen eine Geschichte vorlese, merke ich richtig, wie sie mir an den Lippen hängen. Vorlesen kostet kein Geld – und ist gleichzeitig unbeschreiblich viel wert.

Liebe entscheidet
Gerade in diesen Tagen ist diese Frage wichtiger denn je. Aufgrund der Pandemie verbringen wir gewollt oder ungewollt mehr oder weniger Zeit mit der Familie – oft ohne, dass man selbst es sich so ausgesucht hätte. Familie ist so ein wichtiger Faktor für jeden von uns. Denn jeder hat mindestens eine Familie. In Zeiten wie diesen wird einem die Bedeutung der Familie wieder besonders bewusst. Ich für meinen Teil habe drei Familien: die eine, die jeder hat, die leibliche also, aus der ich erwachsen bin, die zweite, die ich mir selbst ausgesucht habe, meine Freunde, und die dritte, die ich nun selbst gegründet habe. Alle drei sind gewachsen und stark geworden durch gemeinsam verbrachte Zeit, gemeinsame Erlebnisse, Vertrauen, Zusammenhalt, Nähe, Aufopferung für den anderen, durch Momente, die uns geprägt haben, Zeit, die verstrichen ist und die vielen endlosen Gespräche, mit denen sich alles beschreiben lässt. Stark sind wir durch die Offenheit, die wir dem anderen entgegenbringen, und durch den Wunsch, den anderen kennenzulernen und Teil seines Lebens zu sein. Dabei lernen wir, was es heißt, Familie zu sein, mit allen Rechten und Pflichten, und geben dabei unsere eigenen Vorstellungen von Familie weiter, mit all ihren Facetten. Was alle gemeinsam haben und was über alle Generationen hinweg und auch in Zukunft immer der entscheidende Faktor sein wird, um die Familie zu stärken, ist die Liebe. Die Bereitschaft, sie zu geben und zuzulassen.

Am Herd vereint
Kochen, das ist die wunderbarste Möglichkeit, die Familie und die Gemeinsamkeit zur stärken. Generationsübergreifend und alterslos. Kinder schnippeln, mischen und erleben Familie. Mit einem Lob schenken Sie Ihrem Kind Selbstvertrauen und Liebe. Der erste selbstgemachte Gurkensalat, was für ein Erfolgserlebnis. Die Arbeiten in der Küche lassen sich wunderbar auf alle Schultern verteilen. Auch an die, die von sich behaupten, sie können nicht kochen. Die Grundlage für diese gemeinsame Aktivität ist gegenseitiges Verständnis und eine Prise Humor. Spannungen haben weder in der Küche noch am Tisch etwas zu suchen. Deshalb braucht man einen Plan: Wer ist für was verantwortlich und was wird gekocht? Bei der Auswahl der Gerichte sollte man sich auf Klassiker statt auf kreative Höchstleistung fokussieren. Klassische Gerichte sind immer etwas für Herz und Seele. Da sind die Würstchen mit selbstgemachten Kartoffelsalat oftmals eine größere Freude als ein ausgefallenes Wokgericht. Gerade die Klassiker, die den Genießer im Gegensatz zur kreativen Küche weniger fordern, sorgen für viel Miteinander und unbeschwerten Genuss. In diesen Zeiten, in denen Konflikte auf uns einwirken, dürfen Herz und Seele ruhig ein wenig Unterstützung erfahren. Es gibt natürlich wunderbare Brettspiele. Aber beim Kochen gibt es anders als dort keine Verlierer, nur die gemeinsame Aktivität auf Augenhöhe. Deshalb bin ich ein großer Fan von gemeinsamem Kochen.

Empathie trifft auf Verständnis
In der gegenwärtigen, Pandemie-bedingten Krise sind Familien darauf angewiesen, dass ihnen der Staat notwendige Hilfe leistet. Familien benötigen nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch die Gewissheit, dass sich die staatlichen Institutionen uneingeschränkt für sie einsetzen. Die Verantwortlichen müssen sich fragen, was Eltern und Kinder gegenwärtig besonders brauchen. Wie können sie dabei unterstützt werden, damit sie gut durch die noch bevorstehenden Monate der Pandemie kommen? Dabei geht es sowohl um ihr körperliches als auch ihr seelisches Wohlbefinden. Dass es den Familien gut geht, ist nicht nur für sie selbst wichtig. Auch für die Gemeinschaft ist es bedeutend, dass Eltern und Kinder das Vertrauen nicht verlieren. Zuversichtliche Familien geben der Gemeinschaft die nötige Stärke, um schwierige Zeiten zu überstehen. Wer Familien unterstützt, tut etwas für die Allgemeinheit. In dieser Gesundheitskrise sorgen sich Familien vor allem um die Unversehrtheit ihrer Angehörigen. Ausnahmslos jedes Familienmitglied soll gut durch die Pandemie kommen. Familien kennen keine „Risikogruppen“, sondern nur kostbare, geliebte Menschen. Für sie haben sie in den letzten Monaten große Mühen auf sich genommen und sie werden es auch weiterhin tun. Diese Hingabe von Familien verdient, geachtet zu werden. Familien sollten ernst genommen und mit einfühlsamen Maßnahmen unterstützt werden.

Kinder auf der Flucht
Ein Viertel der von uns im Mittelmeer geretteten Menschen sind Kinder und Jugendliche. Sie sind besonders schutzbedürftig – und besonders beeindruckend. Gut in Erinnerung geblieben sind mir fünf kleine Mädchen, die wir im Oktober 2019 an Bord unseres Schiffes „Ocean Viking“ hatten. Nach der Rettung mussten wir elf Tage lang auf einen sicheren Hafen warten. Elf Tage! Das war zermürbend. Trotz allem umgab die Mädchen so eine Lebensfreude, so viel Zuversicht und Mut, dass sie das ganze Schiff damit angesteckt haben. Wir hatten ein paar Spielsachen ausgegeben. Ihre Freude darüber war unbeschreiblich. Einen Nachmittag lang haben wir die Bordklinik zur Kuscheltierpraxis umfunktioniert, den Plüschtieren Verbände angelegt. Inmitten der Anspannung waren das ein paar Stunden der Unbeschwertheit, die ich nie vergessen werde. Die Mehrzahl der jugendlichen Geretteten an Bord unseres Schiffes hat sich allein auf den Weg gemacht. Manche nach dem Verlust ihrer Eltern, viele auf der Flucht vor Gewalt und Ausbeutung. In der Hoffnung auf ein Überleben, eine Chance. Ihr junges Leben darf nicht auf dem Mittel- meer enden. In vier Jahren hat SOS MEDITERRANEE im Rettungseinsatz 31.799 Kinder, Frauen und Männer vor dem Ertrinken bewahrt. Helfen Sie mit und spenden Sie jetzt: sosmediterranee.de/sos-spende Neu: Dossier Minderjährige an Bord: https://bit.ly/minderjährige

Stark mit Kind
Für ihre Kinder zu sorgen, macht Alleinerziehende stark – und das, obwohl ihnen diese meist viel Kraft abverlangen. Mütter und Väter wachsen als Alleinerziehende oft über sich hinaus, ausgelöst durch die Verantwortung, die sie weitgehend allein für ihre Kinder tragen, sowie durch die schlechten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Das führt dazu, dass sie besondere Kompetenzen wie Flexibilität und Belastbarkeit entwickeln (müssen). Alleinerziehende sind Organisationstalente, da es immer einen Plan B und C geben muss, wenn zum Beispiel das Kind krank ist. Und sie müssen netzwerken können, um Unterstützung und gegenseitigen Austausch zu erfahren. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter ist das Produkt starker Netzwerkerinnen und Netzwerker, die beschlossen haben, ihre Kompetenzen zu bündeln, um sich gemeinsam für ihre Interessen einzusetzen: die Anerkennung als gleichberechtigte Familienform und den Abbau von strukturellen Barrieren, die ihnen den Alltag und die Existenzsicherung erschweren. Das ist längst überfällig. Der VAMV setzt sich dafür ein, dass familienpolitische Leistungen auch bei Alleinerziehenden voll ankommen und diese nicht durch das Raster fallen: für bedarfsgerechte, qualitativ gute Kinderbetreuung auch in Randzeiten – denn die Berufstätigkeit ist für Alleinerziehende existenziell – für eine familienfreundliche Arbeitswelt und für Steuergerechtigkeit, die am Kind und nicht am Trauschein gemessen wird.

Lockdown als Chance
Vor dem 13. März 2020 habe ich viele Eltern in meiner Praxis erlebt, die wie unter Strom standen. Kaum jemand ruhte noch in sich und die Beziehung zum Kind litt – trotz der Liebe der Eltern zu ihrem Kind und ihrem Wunsch, es mit dem Besten zu versorgen. Der Druck durch Kindergarten oder Schule, da ihr Kind dort im Verhalten auffällig war, hatte sich zusätzlich auf sie übertragen. Dann kam der Lockdown und plötzlich war alles anders: Die Eltern waren von jetzt auf gleich mit ihren Kindern „allein zu Hause“. Bestimmte bis dahin ein ständiger Termin- und Erreichbarkeitsdruck ihren (Berufs-)Alltag, so zeigte sich nun, dass die nächsten Wochen und Monate von allen externen Terminen befreit sein sollten. Das Leben wurde langsamer und geruhsamer. Das atemlos machende Hamsterrad stoppte. Was lange Zeit undenkbar war, wurde nun Wirklichkeit. Und plötzlich war Zeit für ganz andere Dinge. Ich habe Eltern erlebt, die begeistert waren, jetzt Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Sie entdeckten, wie schön es ist, zum Beispiel im Wald gemeinsam spazieren zu gehen. Sie entdeckten aber auch, dass das Arbeitsleben auch ohne ständige Termine, Meetings und Dienstreisen möglich ist und dass es eine Chance für sie als Familie sein kann, zu sich zu kommen, zu Ruhe und Gelassenheit zu finden. In allen Schwierigkeiten, die die derzeitige Lage mit sich bringt, heißt es nun, diese Gelassenheitschancen für Familien zu finden und zu leben.

Von Werten geleitet
Was ein gelungenes Familienleben ausmacht, haben wir vom Kinderschutzbund in unserem Leitbild versucht zu beschreiben: „Familie in all ihren Erscheinungsformen ist der Raum, in dem Kinder ihre Persönlichkeit entfalten und Schutz, Verständnis und verlässliche Beziehungen finden.“ Sie sehen: Hier ist keine Rede vom üblichen Mutter-Vater-Kind-Dreieck der Kernfamilie. Familie kann in vielen Konstellationen gelebt werden. Sie hängt weder von Abstammung noch vom Geschlecht der Bezugsperson ab. In unserem Leitbild heißt es weiter: „Wir treten dafür ein, dass Kinder und Jugendliche innerhalb der Familie als gleichwertige Mitglieder geachtet werden.“ Das bedeutet: Die Beteiligungsrechte der Kinder sind für uns zentral. Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten, nicht Eigentum der Eltern. Wir unterstützen Eltern deshalb darin, einen liebevollen, demokratischen und gewaltfreien Umgang mit Kindern zu leben. Und schließlich: Keine Familie steht isoliert in der Gesellschaft. Familien brauchen gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich alle Familienmitglieder frei entfalten können: Das beginnt bei der freien Entscheidung für ein Lebensmodell, geht weiter bei guten Schulen, Kindertagesstätten und einem kindgerechten Lebensumfeld und hört bei einer existenzsichernden Familienleistung für alle Familien noch lange nicht auf. Sie sehen: Die Antwort auf eine so einfach erscheinende Frage ist überraschend vielschichtig.

Kreative Momente
Ich glaube, dass gemeinsames Erleben der Schlüssel für starken Zusammenhalt ist: Gemeinsam verbrachte Zeit und geteilte Erfahrungen sind wichtig. Natürlich ist die Liste der Aktivitäten durch Corona zuletzt kürzer gewesen und eher aufs Häusliche beschränkt, aber auch da ist das Spektrum gar nicht so klein: Tanzen, Singen, Spielen, Vorlesen – all das schweißt eine Familie zusammen. Ich habe lange in der Event-Branche gearbeitet und mich so gesehen schon immer mit dem gemeinsamen Erleben beschäftigt, nur eben außer Haus, im großen Stil. Nun aber hieß es, dieses Erleben in den kleinen Kreis zu übertragen, also Do-it-yourself-Lösungen für die Familie zu finden, Mikro-Events zu erschaffen, bevor einem die Decke auf den Kopf fällt. So ist auch die Idee für Lemonade-Time entstanden: Anfangs war es nämlich gar nicht so einfach, unsere Tochter zum Händewaschen zu bewegen. Als mir dann die Idee kam, die Seife einfach selbst herzustellen, sie in ein kleines Kunstwerk zu verwandeln und so das Thema Händewaschen zum Event zu machen, da war sie plötzlich begeistert. Die selbst gegossenen und individuell gestalteten Seifen von Lemonade-Time erfüllen neben der gemeinsamen Kreativaktion einen weiteren Zweck: Sie sind ein tolles kleines Geschenk, das wiederum Zusammenhalt stiftet – für Oma und Opa oder andere Familienangehörige, die man gerade nicht sehen kann. Außerdem macht plötzlich auch den Kleinsten das Händewaschen Spaß. lemonade-time.com

Reden ist Gold
Für mich steht fest: Reden macht die Familie stark. Damit meine ich, dass man viel und oft miteinander reden sollte. Egal, ob die Großeltern von früher erzählen, die Kinder aus Schule und Kindergarten berichten oder die Eltern ihre Büroanekdoten teilen: Reden ist Gold. Die elektronischen Medien sind – von ihrer Informationsfunktion mal abgesehen – die schlimmsten Beziehungskiller innerhalb der Familie überhaupt. Es ist traurig, wenn jedes Familienmitglied für sich in seinem Gadget lebt und das Familienleben zu einem Nebeneinander statt einem Miteinander degeneriert. Hier sind immer die Eltern die Vorbilder. Besonders schade finde ich es, wenn Eltern, die mit ihren ängstlichen Kindern beim Arzt warten, es vorziehen, Belanglosigkeiten im Mobiltelefon zu konsumieren, anstatt ihre Kinder zu trösten.

Gelebte Gemeinschaft
In den 1960er-Jahren hatte die Oma meines Mannes die Familien ihrer drei Töchter zu einem Familientreffen eingeladen. Aus einem Tagesausflug ist ein mittlerweile alle zwei Jahre stattfindendes Wochenende geworden. Es muss sich immer eine Familie um Unterkunft und Programm kümmern. Es ist wohltuend zu beobachten, wie herzlich und natürlich der Umgang untereinander ist und gerade die Jugend und Kinder sich nicht fremd sind. Bei einem Treffen wurden wir mal in der Unterkunft gefragt, was wir für eine Gruppe seien? Unsere Antwort: „Wir sind alle eine Familie.“

Autopilot fürs Leben
Corona hat einen gehörigen Kurzschluss verursacht. Routiniert nebeneinander existierende Welten wie Arbeit, Schule und Sportverein standen still oder waren nur eingeschränkt betriebsfähig. Eine Welt jedoch blieb übrig und brachte die aus dem Takt Geworfenen an einen Tisch: die Familie. Sie pausierte nicht, sondern lief zu Hochform auf. Die Familie bewältigte ihre täglichen Aufgaben und Routinen, die man verfluchen mag, die vorübergehend aber schlichtes Beschäftigtsein verschafften und eines nicht stellten: die Sinnfrage. Es musste einfach aufgeräumt, abgewaschen und eingekauft werden. Dieser „Autopilot“ Familie hat Menschen aufgefangen und ihnen Pausen vom Grübeln ermöglicht. Die Aufgabe war konkret: gemeinsam den Lockdown bewältigen. Zu tun gab es viel und an nervenzehrenden Momenten mangelte es nicht. Einkaufsbegrenzungen konnten einen Satz wie „Ich habe Mehl bekommen!“ zum Überraschungserfolg des Tages machen. Beim Nebeneinander von Home Schooling und Home Office wurde der Humor von Groß und Klein auf harte Proben gestellt. Doch am Ende erlebten Familien genau das gemeinsam. Der Lockdown widerfuhr nicht einem Einzelnen und isolierte ihn im Unglück, er traf die Familie. Die Chancen, bei mehreren Geschwistern einen Verbündeten gegen Mamas und Papas Vorschriften zu finden, standen enorm gut. Irgendjemand hatte immer auch keine Lust auf Hausaufgaben, aber auf Fahrradfahren umso mehr. Familien wussten sich zu helfen – ihre Spezialdisziplin.

Mehr Last als Lust
Ich könnte hier so viel aufzählen, die Schule, Freunde, die Nachbarschaft, der Arbeitgeber und so weiter. Aber letztlich liegt es an uns. Zum Beispiel einfach mal öfter die Oma anrufen. Die eigene Familie wird gerne mal als Last empfunden und Familientreffen wie Geburtstage und Weihnachten mutieren zu Pflichtveranstaltungen. Schade eigentlich.

Zusammen stark
Die Antwort auf diese Frage ist gleichzeitig auch der Grund dafür, dass viele Familien zerbrechen: Krisen machen Familien stark – oder zerrüttet sie. Ich habe leider schon selbst mehrere Familien wegen Erbschaftsstreitigkeiten auseinanderfallen sehen. Es ist krass, wie wir unsere engsten Verwandten behandeln, wenn Geld oder Besitztümer im Spiel sind. Andersherum bin ich mir sicher, dass Familien, die es schaffen, gemeinsam solche Krisen zu überstehen, gestärkt daraus hervorgehen und einen unglaublichen Zusammenhalt entwickeln. Dasselbe sehe ich auch in einer weltweiten Pandemie: Wenn wir unsere Familien hier zusammenhalten und gemeinsam dafür sorgen, dass wir alle gut durch diese Zeit kommen, dann schweißt uns das zusammen – ob als Familie oder als Gesellschaft.

Zusammenhalt ist dicker als Blut
Was bedeutet Familie überhaupt? Gedanken teilen, miteinander lachen, einander helfen und respektieren, sich gegenseitig Mut machen. Menschen, die dies füreinander leben, bedeuten für mich auch Familie. Neben meinem Freundeskreis denke ich dabei auch an uns Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Wir sind von der Corona-Pandemie ganz konkret betroffen, denn meist gehören wir zur sogenannten Risikogruppe. Wo gesundheitsbedingte Einschränkungen ohnehin viel zu oft auch soziale Einschränkungen mit sich bringen, treten diese in der aktuellen Zeit noch häufiger auf – doch macht uns das nicht auch füreinander stärker? Ich denke, ja. Denn wir verstehen die Unsicherheiten, Ängste und Sorgen des anderen, weil es auch unsere eigenen sind. Wir waren es auch vor Corona schon gewohnt, uns wegen der geringen Zahl mit anderen Betroffenen virtuell zu vernetzen, uns online auszutauschen, Freundschaften zu schließen und zu pflegen, uns gegenseitig aktiv zu kontaktieren, da wir uns nicht automatisch auf der Straße treffen. Diese Form der Gemeinschaft setzen wir in Zeiten der Pandemie fort, auch das macht uns stark. „Strong in a dazzle“, ist ein Motto von uns Menschen mit seltenen Erkrankungen, aber auch wir als Gesellschaft insgesamt sollten die Gemeinschaft als Quelle dessen betrachten, was jeden Einzelnen und somit uns alle stark macht.
Hilke Jensen, Leserin